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Kirschblüte

Stellungnahme zu Baumpflanzung als Klimakompensation

Durch den Wald führt kein Weg aus der Klimakrise

Klimakompensation wird zum Wort der Stunde. Mit einem Mausklick kann man seinen Urlaubsflug „kompensieren“, indem man einige Euro für den Schutz und die Pflanzung von Bäumen zahlt – zu dem Preis selbstverständlich nur weit weg vom wohlhabenden Deutschland umzusetzen. Immerhin wird inzwischen auch hierzulande Hand angelegt: Der deutsche Wald soll massiv gefördert werden, und unter dem Motto „Einheitsbuddeln“ waren am 3.10.2019 tausende Bürger unterwegs, um Bäume zu pflanzen – auch in Rendsburg grub die Jugendkirche mit.

Dr. Julia-Maria Hermann, Umweltbeauftragte und Klimaschutzmanagerin des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde, sieht diese Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „So einfach ist es nicht“, sagt sie. „Nehmen wir nur die Heizölverbräuche in kirchlichen Gebäuden in unserem Kirchenkreis im Jahr 2017: Zweihunderttausend Liter, aus denen mehr als sechs Tonnen CO2 freigesetzt wurden.“ Um eine Tonne CO2 binden zu können, muss zum Beispiel eine Buche etwa 80 Jahre lang wachsen. In einem Jahr speichert sie durchschnittlich zwölfeinhalb Kilogramm des Treibhausgases. Um also allein jene sechs Tonnen CO2 schnellstmöglich zu binden (denn achtzig Jahre Zeit haben wir nicht), müssten rein rechnerisch über fünfzigtausend Buchen gepflanzt werden. Für Hermann ist klar: „Wir können uns den Klimawandel nicht wegpflanzen.“

Genau das aber hat eine Studie vor drei Monaten suggeriert. Im renommierten Fachblatt „Science“ errechnete ein Autorenteam unter Federführung von Jean-Francois Bastin ein verblüffend hohes Potential, weltweit klimatisch waldfähige Standorte mit Bäumen aufzufüllen und damit im Laufe weniger Jahrzehnte einen großen Teil des menschengemachten CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. Wen wundert es, dass diese Zahlen in einer Zeit, in der verfehlte Klimaschutzziele, düstere Zukunftsszenarien und Forderungen nach einer radikalen Änderung unseres Lebensstils die Nachrichten dominieren, begierig aufgegriffen wurden? „Die Verbreitung über die Medien, insbesondere Social Media, war außergewöhnlich für eine wissenschaftliche Studie“, so Hermann.

Umso bedenklicher ist es, dass den Berechnungen entscheidende Fehler unterliegen: Ein regelrechter Proteststurm ging nun in „Science“ online. Ein Autorenkollektiv unter Federführung von Joseph Veldman, dem auch Hermann angehört, weist unter anderem auf die wertvollen Kohlenstoffvorräte hin, die in Moorböden, Savannen, Steppen im Boden gespeichert sind. Bei Bewaldung beziehungsweise Aufforstung (letzteres kommt weltweit weitaus häufiger vor als der langwierige Aufbau naturnahen Waldes) würden diese Vorräte großenteils abgebaut und in der Atmosphäre landen – eine Tatsache, die in den Berechnungen von Bastin et al. vernachlässigt wurde. Auch der ursprünglich vorhandenen Tier- und Pflanzenwelt täte man nichts Gutes. „Dass ein Löwe von Würmern im Wald lebt“, sagt Hermann, „kommt nur bei Disney vor“.

Sind also Baumpflanzaktionen vergeudete Zeit und Mühe? Natürlich nicht. Heimische Baumarten sollen gepflanzt werden – dort, wo Wälder geschädigt worden sind, wo die Pflanzungen weder zur Torfzersetzung führen noch artenreiches Grünland verdrängen, und wo die Bäume Zeit und Platz haben, um groß und stark zu werden. Ein solcher Baum speichert dann nicht nur über Jahrzehnte und Jahrhunderte CO2, sondern liefert auch Schutz und Nahrung für die Tierwelt, Pilze, Moose – und nicht zuletzt dem Menschen einen erhebenden Anblick und ein angenehmeres Stadtklima.

An einer Änderung unseres Lebensstils, der leider Gottes nicht nur auf der massiven Nutzung fossiler Energien, sondern auch auf der Ausbeutung kohlenstoffspeichernder Ökosysteme beruht, führt dennoch kein Weg vorbei.

Kirche im Norden