Rendsburg – Die Walcker-Orgel in der Kirche St. Marien ist mit 50 Jahren wahrlich noch ein Jungspund unter den Orgeln – die älteste noch bespielbare Orgel Nordeuropas beispielsweise stammt aus dem Jahre 1457 und steht in der Rysumer Kirche in Ostfriesland. Nun zieht die Rendsburger Orgel um nach Polen, genauer in den rund 900 Kilometer entfernten Ort Bełchatów (in der Nähe von Warschau). Beim Abbau dabei ist Wojciech Lipniacki – er wird die Orgel in Polen wieder aufbauen. Wiederverwendet werden dort vor allem das Gehäuse, die Pfeifen (etwa 2500 Stück) und der Motor. Nach einer Grundreinigung sollen die Mechanik und Elektronik wieder in Stand gesetzt werden und künftig in einer großen, etwa 30 Jahre alten Kirche im Gottesdienst erklingen. Der Wiederaufbau wird etwa drei Monate brauchen, weil die Orgel immer wieder gespielt werden muss, damit alles aufeinander abgestimmt werden kann.
Wie aber verkauft man eine Orgel? Wohl kaum auf Ebay Kleinanzeigen. Es gibt Fachleute, wie Instrumente Ladach aus Wuppertal, der führende Spezialist für den internationalen An- und Verkauf von gebrauchten Pfeifenorgeln. Andreas Ladach fasst in Rendsburg selbst mit an: „Eigentlich habe ich dafür keine Zeit, sondern ein sehr fähiges Team, das die Arbeiten vor Ort übernimmt und koordiniert“. Er ist seit den 1990er Jahren im Geschäft und erkennt einige Trends: „Große Instrumente gehen eher in den Osten, kleinere eher in den Süden. Aber generell ist die Orgel ein Instrument, das zunehmend uninteressant wird. Das merkt man auch daran, dass es immer schwieriger wird, Organistinnen und Organisten zu finden.“
Alte Orgel weicht einem Neubau einer einsehbaren und möglicherweise begehbaren Orgel.
Ladach würdigt das in Rendsburg geplante Projekt: „Eine solche neue Orgel wird kulturell ein großer Anziehungspunkt werden, renommierte Musikerinnen und Musiker werden kommen wollen, um die Orgel spielen zu können. Dieses Projekt kann ein gutes Gegengewicht sein zum abnehmenden Interesse an Orgelmusik“.
Für das Projekt erhält die Kirchengemeinde Rendsburg einen EU-Zuschuss in Höhe von 757.142 Euro. Die kalkulierten Gesamtkosten liegen bei 1,8 Millionen Euro. Ein Teil der Kosten soll über eine Spendenkampagne eingeworben werden, ein weiterer Teil kommt aus Eigenmitteln. Die neue Orgel wird Ende 2024 in der Werkstatt der Freiburger Orgelbaufirma Späth komplett aufgebaut und erstmals erklingen, im Frühjahr 2025 in Einzelteile zerlegt, nach Rendsburg transportiert und von den Orgelbauern aufgebaut. Danach wird das Instrument sorgfältig intoniert und auf die St. Marien-Kirche abgestimmt. Die Orgelweihe ist für den Reformationstag 2025 geplant.
Die neue Gläserne Orgel wird wichtigster Bestandteil einer Ausstellung zur Geschichte des Orgelbaus und der Orgelmusik sein. Entsprechend dem Ausstellungskonzept werden das Gehäuse und die Gesamtkonstruktion so angelegt, dass ein Rundgang durch die Orgel möglich ist. An geeigneten Positionen werden verglaste Öffnungen vorgesehen, die einen Einblick in die speziellen Bauteile und Bereiche des inneren Orgelwerkes erlauben. Außerdem sind interaktive Funktionen geplant, unter anderem soll im Turmzimmer ein mechanisches Windwerk, auch Balganlage genannt, entstehen, mit dem der Wind für die Orgel auch von den Besucherinnen und Besuchern erzeugt werden kann.
„Die Ausstellung zum Thema Orgelbau und Orgelmusik soll die St. Marien-Kirche als einen außerschulischen Lernort stärken und ausbauen, der für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, für Einheimische und Urlauber aufregende und spannende Entdeckungen bereithält“, sagt Rainer Karstens, der Vorsitzende des Kirchengemeinderates. Die Gläserne Orgel selbst sei dabei ein Unikat, vergleichbares gebe es in Deutschland bislang nicht.