Nörgelnd latscht der Schlacks nach vorne. „Meine Kamera hier hat überhaupt keinen Ausschlag angezeigt.“ Daniel steigt auf eine Kiste, hält die Kamera hoch über den Kopf und ruft: „Also los, RASTET MAL RICHTIG AUS!“ 120 Stimmen johlen, juchzen, klatschen. Daniels Gesicht bleibt unbewegt, der 19-Jährige mimt weiter den Coolen: „Das üben wir nachher noch!“ Abgang, Lachen.
Halbzeit im „Konfi-Camp“, dem einwöchigen Konfirmandenlager des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde. Kampiert wird hier natürlich nicht, die backsteinernen Eingeschösser auf dem Gelände der Hamburger Sportjugend in Schönhagen bieten doch mehr Komfort als ein Zeltlager. An den Eingängen der abgedunkelten großen Halle, wo Daniel Homeister jetzt sockfuß zurück zum Musikmischpult schlurft, liegen kreuz und quer 120 Paar Sneaker, Sandalen und Badelatschen. Die Konfis sitzen auf Turnmatten und gucken Richtung Bühne. Die Sonne heizt, die Luft ist schneidbar, aber die Stimmung gut. Und als, eine Stunde später als von der Wetter-App angekündigt, ein massiver Schauer aufs Hallendach trommelt, da wissen die Verantwortlichen endgültig, dass sie richtig entschieden haben: lieber „Schlag den Teamer“ in der Halle spielen als Völkerball am Strand. Bei dem Spiel müssen die Konfis Lieder raten, Bilder raten, Bälle in eine Kiste werfen, solche Dinge. Daniel spielt Musik ein, Julia und Jorik regeln Licht und Mikro, vorne moderieren Cindy und Luise. Sie alle sind Teamer.
Teamer? „Teamer sind junge Leute, die nach ihrer Konfirmation in der Jugendarbeit der evangelischen Kirche weiter mitmachen möchten und dafür von uns eine kleine Ausbildung bekommen haben“, erklärt Petra Kammer, Jugenddiakonin im Kirchenkreis. Gemeinsam mit den fünf anderen Hauptamtlichen hier im Konficamp trägt sie die Verantwortung für die 12- bis 14-Jährigen. Doch sehr viel am Tagesablauf in Schönhagen organisieren die Teamer, alle zwischen 15 und 25 Jahre alt – und damit noch nah dran an Sprache und Themen der Konfi. Sie animieren, lösen Probleme, achten auf die Einhaltung der Handyregeln („nicht in der Gruppe rausholen“), trocknen Tränen. Kurz: Sie agieren auf Augenhöhe mit Petra Kammer. „Die Nachtwanderung gestern zur Karbyer Kirche, der Gottesdienst dort zum Thema ‚Lasst mich doch in Ruhe!‘, die Rallye zurück“, Petra Kammers Augen leuchten, als sie davon erzählt, „das haben alles unsere Teamer durchgezogen! Und es war wieder ein ganz toller Abend!“
Am Morgen. Aus einem geöffneten Fenster weht auf den Laubengang des Seminargebäudes heraus, worüber die Konfis gerade diskutieren: „Denn Du bist bei mir“, Psalm 23 und ob diese Worte in Stressituationen helfen können. Eine Tür weiter aber sitzen keine Konfis mehr, hier werden Teamer ausgebildet. Laura Wiebke Bestmann legt mehrere blassgrüne Karten in die Mitte. Es geht um Gruppendynamik, und die 14- bis 18-Jährigen, die um Laura herum auf Papphockern papphocken, lesen: Menge, Masse, Verband, Gruppe, Team, Klasse, Familie. „Wie würdet Ihr diese Begriffe voneinander abgrenzen?“, fragt Laura. Dann lässt sie die Jugendlichen erst mal diskutieren.
Gestern war Kommunikation dran, morgen sprechen sie darüber, wie sich Andachten gestalten lassen. Die Trainees kommen aus den evangelischen Kirchengemeinden in Hütten, Kosel und Owschlag und von der Jugendkirche in Rendsburg. Im September, am Ende der 30-stündigen Ausbildung inklusive Praxisprojekt hier im Konficamp, erhalten alle die Teamercard und eine Urkunde von Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt – eine Wertschätzung des ehrenamtliches Engagements und eine gute Beilage in einer Bewerbung. Viele der Teamer werden, wenn sie 16 sind, dann auch die nächste Stufe anstreben: „Juleica“, die Jugendleiter/incard. Um selber mal eine Jugendgruppe zu leiten. Dieses Engagement begrüßt die Nordkirche ausdrücklich: „Indem Jugendliche sich beteiligen und aktiv gestalten, tragen sie zur notwendigen ständigen Veränderung der Kirche bei“, heißt es in einem Papier zur Teamercard.
Zu den Trainees von Laura gehören Ilvy Engel und Carla Bacherle. Die beiden sind 14 und erst im Mai in Hütten konfirmiert worden – unter den Konfis in der großen Halle fallen sie kaum auf. Den Unterricht ihrer Pastorin fanden Ilvy und Carla so gut („freundschaftlich und offen, trotzdem haben wir was gelernt dort“), dass sie weiterhin jede Woche einige Kilometer hinüber nach Hütten zum Jugendtreff fahren. Dass sie sich Spiele für die Konfis ausdenken, Ausflüge vorbereiten oder den Jugendgottesdienst.
Sind die Teamer im Hüttener Jugendtreff auch Vorbilder? „Schon“, sagt Ilvy, „sie sind nett und haben viel Ahnung, wie man so was angeht, sie beziehen uns ein.“ Und auch hier in der Teamer-Ausbildung lernen die beiden eine Menge – etwa dass eine Gruppe auch mal durchpusten muss. Nach anderthalb Stunden Diskussion steht Laura auf und bittet die Trainees „zu sitzen ohne Stuhl“: Die 17 bilden einen engen Kreis, dann versuchen sich alle zugleich auf die Oberschenkel des Trainees hinter sich zu setzen. Gekicher, Witzworte, Lachen, viele kippen fast um. „Sowas sorgt für ein nettes Klima und ist super, um Hemmschwellen abzubauen“, sagt Carla. „Genauso wie das Spiel ‚Verrückte Tänze‘“, ergänzt Ilvy. „Am Anfang ist das peinlich, aber schließlich macht sich ja jeder zum Affen und lacht über sich selbst, deshalb ist es nicht schlimm. Man lernt viel über sich selber dabei. Und sowas geben wir dann an die Konfis weiter.“
Teamerin Laura, 24, hat bereits 2008 die Jugendleiterintensivausbildung („Julia“) der Jugendkirche absolviert. Die war neu damals und Laura gemeinsam mit Lennart Wulf (siehe Interview) eine der Ersten. Nun macht sie in Kiel ihren Bacchelor im Fach „Erziehung und Bildung im Kinder- und Jugendalter“. Sie genießt es, dass die Trainees freiwillig bei ihr sind, und genau aus diesem Grund will sie später in der außerschulischen Jugendbildung arbeiten. „Was mich von Anfang an beeindruckt hat, war, dass die Hauptamtlichen uns ganz viel zutrauen – und zum Teil Kompetenzen sehen, die wir selber bei uns noch nicht erkannt haben.“ Ist sie an der Jugendarbeit gewachsen? „Auf jeden Fall. Eine Gruppe anleiten, improvisieren, Überraschungen meistern können – alles Dinge, die ich dabei gelernt habe. Ich bin selbstbewusster geworden. Und ohne diese Erfahrungen hätte ich wohl nicht diese Berufsrichtung eingeschlagen.“
Lauras Trainees sollen auch einen Part beim Abschlussgottesdienst des Konficamps übernehmen. Jemand schlägt die Predigt vor, aber ein Anderer grätscht dazwischen: „Nee, der Segen ist viel cooler!“ So läuft es hier. Teamer leiten die Andacht, moderieren Inhaltsgruppen, schicken als Nachtwache die Konfis ins Bett, wenn die nach Mitternacht noch auf dem Gang herumturnen. Bei der „Kirche am Urlaubsort“ in Eckernförde sitzen sie im Strandkorb und lesen Kindern etwas vor. Am 25. August haben Teamer in der Rendsburger Christkirche den großen Jugendgottesdienst des Kirchenkreises gestaltet. Und beim Kirchentag in Dortmund haben Teamer der hiesigen Jugendkirche einen Parcour zum Psalm 23 aufgebaut, „einige hundert Leute sind da bestimmt durch“, sagt Daniel. Er saß im brandneuen Transporter der Jugendkirche nach Dortmund am Steuer. Sie vertrauen ihrem Nachwuchs eben, sagt Petra Kammer.
Manchmal ist der Rat der Älteren aber doch gefragt. Als nach dem nächtlichen Gottesdienst in Karby und der Rallye zurück einige Trainees noch um 1.30 Uhr morgens aufgekratzt herumliefen und Werwolf spielen wollten, musste die Hüttener Pastorin ein Machtwort sprechen – „natürlich auf Augenhöhe, ich war die Stimme der Vernunft“, sagt Kerstin Hansen-Neupert und lächelt weise.
Sie scheint einiges richtig zu machen. Die Hälfte der 17 Trainees in diesem Jahr stammt aus ihrer Kirchengemeinde.