Mitten in unsere ohnehin so unruhige Welt und noch immer in die Fassungslosigkeit über das, was auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt geschah, erklingt nun: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens!“ Das singen die Engel und fordern damit die Hirten auf, sich auf den Weg zum Stall nach Bethlehem zu machen.
Wir feiern die Geburt Jesu. Jesus, Baby eines vorübergehend obdachlosen jungen Paares, das in einer windigen Herberge in Bethlehem, im heutigen Westjordanland, geboren wird. Von Weihnachtsidylle, Kerzenschein und Tannenduft ist keine Spur.
Ungehörig ist sie, die Weihnachtsbotschaft. Was ist das für ein Gott, der nicht im Himmel bleibt, sondern Mensch aus Fleisch und Blut wird? Die Aussage ist klar: Gott rückt uns nah. Den Menschen damals, von der Krippe bis zum Kreuz und darüber hinaus. Er will aber auch heute in unser Leben kommen. Bis unter die Herzhaut. So dass wir spüren: Geliebte Gotteskinder sind wir. Unabhängig von Gedanken, Leistung und Taten. Unabhängig von Herkunft und Bildung oder Geschlecht.
Diese weihnachtliche Sicht auf mich selbst macht zugleich deutlich: Es ist unser christlicher Auftrag, die unverbrüchliche Würde jedes einzelnen Menschen zu sehen und für sie einzutreten. Konkret bedeutet das: Weihnachten ist das Fest, das die in den Mittelpunkt stellt, die sich in schweren Lebenssituationen befinden. Unser Mitgefühl und Gebet gehören darum besonders den Opfern des Anschlags und ihren Familien in Magdeburg. Und bei uns vor Ort heißt das: Für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist es gerade jetzt wichtig, einander nicht allein zu lassen. Menschlich bleiben können wir nur miteinander!
Auch in Schleswig-Holstein fühlen sich immer mehr Menschen einsam. Das sind nicht nur die älteren, auch viele Jugendliche und junge Erwachsene sind betroffen. Einsamkeit ist ein stilles Leiden, das meist gar nicht auf den ersten Blick sichtbar ist. Umso wichtiger, gerade an Weihnachten auch einen zweiten Blick zu wagen auf die Menschen um uns herum. Die Nachbarin, den Freund, die Mutter. Dazu gehören aber auch diejenigen, die nicht freiwillig zu uns nach Deutschland gekommen sind. Auch jenen gegenüber menschlich zu bleiben, die Schutz brauchen, gehört zum christlichen Selbstverständnis. Das möchte ich gern allen Verhärtungen und immer kompromissloser werdenden Stimmen entgegensetzen.
Gott ermutigt uns gerade an diesem Weihnachtsfest, gerade in diesen Zeiten, selbst als Mensch zum Vorschein zu kommen und es so in unserem Leben leuchten zu lassen. Dazu gehört auch, in denen, die mir fremd sind und deren Haltungen ich nicht teile, das Antlitz Gottes zu erkennen. Das ist die Zumutung von Christi Geburt. So aber bereitet sich hoffentlich etwas von Gottes Licht und Frieden der Heiligen Nacht auch in unserer heutigen Welt aus.
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest!
Ihre Nora Steen, Bischöfin im Sprengel Schleswig und Holstein