Rendsburg – Wenn der Gesamtpastor*innenkonvent des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde tagt, geht es überwiegend um dienstliche und kirchliche Themen. Es gehört aber auch dazu, über den Tellerrand zu blicken und sich mit politischen und gesellschaftlichen Themen zu beschäftigen. Am Mittwoch nutzen die Pastorinnen und Pastoren ihre Dienstbesprechung, um das Jüdische Museum in Rendsburg zu besuchen.
Nach einer kurzen Andacht ging es in geführten Gruppen durch die Ausstellung „400 Jahre Gegenwart! Jüdisches Leben in Schleswig-Holstein“. Zunächst führte der Weg die eine Gruppe aber nach Draußen auf die gegenüberliegende Straßenseite des Museums. Leiter Jonas Kuhn informierte über die Geschichte des Gebäudes. Zum Gebäudeensemble des ehemaligen Gemeindezentrums der Jüdischen Gemeinde Rendsburg gehören die Talmud-Tora-Schule von 1830 sowie die Synagoge. Sie ist im Jahre 1844/45 erbaut worden. „Was fällt Ihnen an dem Gebäude auf?“, fragte Kuhn die Gruppe. Zwei Eingänge, der Zugang zum Keller, die nach oben hin abgerundeten Fenster waren Antworten. Worauf Kuhn hinaus wollte, war die Unscheinbarkeit des Ensembles. Es fügt sich unauffällig ein in die Häuserreihen an der Prinzessinstraße. Kuhn erklärte dies damit, dass die Synagoge in einer Zeit gebaut wurde, in der die Religionsausübung erlaubt war, aber möglichst unauffällig stattfinden sollte. Rund 300 Mitglieder gehörten damals zu der Gemeinde. Als jüdische Menschen Mitte des 19. Jahrhunderts anderen Bürgern rechtlich und politisch weitgehend gleichgestellt wurden, zog es viele Gemeindemitglieder in größere Städte. Dadurch wurde die Gemeinde in Rendsburg kleiner. 1933 lebten nur noch 30 Gemeindemitglieder in der Stadt. 1938 während der Novemberpogrome schändeten SA-Männer die Synagoge. Mit einem Sprengstoffanschlag zerstörten die den Toraschrein. Im selben Jahr wurde die Synagoge im Zuge der „Arisierung“ verkauft. Kuhn berichtete, dass der Raum jahrzehntelang als Fischräucherei genutzt wurde. 1988 zog das Jüdische Museum in die Räume ein.
Seit 2023 gibt es die Dauerausstellung „400 Jahre Gegenwart! Jüdisches Leben in Schleswig-Holstein“. Kuhn hat sie gemeinsam mit einem Team zusammengestellt. Die Ausstellung thematisiert die Anfänge des jüdischen Lebens im Land ab Ende des 16. Jahrhunderts sowie die Zeit während der Kaiserzeit und der Weimarer Republik. Sie informiert außerdem über den stetig wachsenden Antisemitismus und über die Verfolgung, Vertreibung und Ermordung von Jüdinnen und Juden während der Zeit des Nationalsozialismus. Auch die Zeit nach 1945 ist Teil der Ausstellung. In einem Raum geht es um die 1990er Jahre, in denen Jüdinnen und Juden vor allem aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion in Schleswig-Holstein ein Zuhause fanden. Kuhn sagte, dass gerade die Gegenwart einen großen Teil der Ausstellung ausmache, um die Vielfalt jüdischen Lebens abzubilden. „Das Judentum ist mehr als Religion“, „Jüdische Geschichte ist schleswig-holsteinische Geschichte und umgekehrt“ sowie „Es geht um Menschlichkeit“ steht an den Wänden in einem Ausstellungsraum. Es sind die Kernbotschaften dieser Ausstellung.