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Vom Wert der Freundschaft

Im alttestamentlichen Buch Ruth finden wir eine anrührende Liebesgeschichte von der Uroma des späteren Königs David. Diese junge Frau namens Ruth ist eine von zwei Schwiegertöchtern der Israelitin Naomi und stammt selbst aus dem Nachbarland Moab. Erschreckenderweise sind alle drei Frauen sehr schnell Witwen geworden und fragen sich nun bei aller Trauer, wie es mit ihnen weiter gehen soll. Naomi will einfach nur zurück in ihre Heimat Israel nach Bethlehem und hat großes Verständnis dafür, wenn ihre Schwiegertöchter in Moab bleiben, um die Chance eines Neubeginns zu nutzen. Doch Ruth lässt sich nicht abbringen von ihrem Entschluss, bei ihrer Schwiegermutter zu bleiben, die für sie offenbar wie eine mütterliche Freundin geworden ist und für die sie sorgen möchte. Die Geschichte erzählt weiter, wie beide Frauen zurück nach Israel ziehen und wie sich eine Beziehung zwischen einem Verwandten von Naomi namens Boas und Ruth anbahnt und die beiden schließlich heiraten.

Bevor aber die beiden Frauen nach Israel ziehen, gibt Ruth ihrer Schwiegermutter Naomi eine Art Treueversprechen ab, das als Hochzeitsspruch von vielen Brautpaaren übernommen wurde. Außerdem macht das Versprechen nachdenklich bei der Frage, was uns Freundschaft wirklich bedeutet. Ruth will ihre Schwiegermutter begleiten - komme was wolle. Auch Unterschiede bezüglich Nationalität, Kultur und Religion werden dabei überwunden durch ihre besondere Verbindung. Ruth verspricht: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen. Wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott; wo du stirbst, da sterbe ich auch - da will ich auch begraben werden. Der Herr tue mir dies und das - nur der Tod wird mich und dich scheiden.“(Ru.1,16f)

Wohl eines der schönsten Geschenke sind wirklich gute Freunde fürs Leben: Menschen, die einen Platz in unserem Herzen haben, auf die wir uns verlassen können und natürlich auch umgekehrt, also Menschen, die sich auf uns verlassen können. Solche innigen Verbindungen können wir mit Freunden haben, die zu unserem Leben dazu gehören und die wir uns aus unserer eigenen Biografie nicht mehr wegdenken können. Es kann die Lieblingsschwester oder der Lieblingsbruder oder können auch die eigenen Eltern sein. Natürlich kann es der Liebste oder die Liebste sein, die oder der einmal „ja“ gesagt hat zu uns und deren bzw. dessen „Ja“ auch heute noch gilt.

Erst vor ein paar Tagen verabschiedeten wir uns bei einer Trauerfeier von einem über 90jährigen Mann, der einige Jahre an Demenz erkrankt war und von seiner Frau jeden Tag im Pflegeheim Besuch bekommen hatte, sofern es die Corona-Beschränkungen zuließen. Gerade wegen seiner besonderen Verbindung zu seiner Frau, mit der er mehr als 65 Jahre verheiratet war, suchten wir als Beerdigungsspruch den vorhin zitierten Satz aus dem Buch Ruth aus. 

Eine innige freundschaftliche Beziehung, die unser Leben bereichert und auf die wir uns verlassen können, ist eine kostbare Zugabe zum Leben sowie ein Schatz, wie es in der Bibel heißt. Nicht jede oder jeder hat einen solchen Schatz und muss mit dem Alleinsein und der Sehnsucht nach mitmenschlicher Nähe irgendwie fertig werden. Freundschaft, so sehr wir etwas für sie tun sollten, ist und bleibt ein Geschenk, auf das wir keinen Anspruch haben. Lediglich darüber freuen können wir uns, wenn wir dieses Geschenk genießen dürfen.

Im Konfirmandenunterricht sprechen wir über Freundschaft. Es ist wunderbar, was Konfirmand*innen mit ihren Freund*innen alles erleben und wie wichtig sie ihnen sind. Manch eine Freundschaft hat schon im Kindergarten begonnen. Manch ein Freund konnte durch seinen Beistand trösten oder über traurige Verlusterfahrungen hinweghelfen. Mit manch Freundin ist es kaum möglich, nicht lachen zu müssen. Manch ein Freund muss gar nicht viel reden, sondern es reicht, dass er beim gemeinsamen „Abhängen“ einfach nur da ist - und es ist eine erfüllte Zeit.

Uns ist die Freundschaft, die wir mit Jesus haben können, fundamental wichtig für unser Leben. Auf diese innige Beziehung zu Gott, auf den wir uns verlassen können, kommt es uns an. Wir wissen alle nicht, ob wir einmal wehmütig in unseren Fotoalben blättern und von längst vergangenen Tagen zehren, in denen der gute Freund oder die gute Freundin einst unser Leben bereichert hat. Zum Leben gehört auch das Loslassen von Menschen, die doch wichtiger Teil unseres Lebens sind. Vielleicht werden wir einmal unsere Schatzkiste unseres Herzens von Zeit zu Zeit aufmachen und Erinnerungsschätze von früher voll Wehmut, aber hoffentlich auch mit Dankbarkeit betrachten, wohl wissend, dass zu Liebe und Freundschaft auch einmal der Schmerz des Abschieds gehört. Vielleicht ist es wichtig, sich von Zeit zu Zeit genau das bewusst werden zu lassen, weil Freundschaft zerbrechlich und unglaublich kostbar ist. Vielleicht sollten wir diesen Schatz entsprechend pfleglich behandeln für unser Leben genauso wie den Schatz, den wir Glauben nennen und von dem wir in den Höhen und Tiefen unseres Lebens zehren. Gerade auch in diesen schweren Tagen ist es gut, sich immer mal wieder an das Treueversprechen zu erinnern, das Christus Seinen Freunden mit auf den Weg gegeben hat: „Und siehe: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Mt. 28, 20)

Bleibt gesund, erhaltet Euch Euren Mut und Eure Lebensfreude. Das wünscht Euch Torsten Wessel, Pastor der ev.-luth. Kirchengemeinde Hohenwestedt. Seid gesegnet und behütet. 

Kirche im Norden