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„… und vergib uns unsere Schuld“

  • Pastor Dr. Stefan Holtmann (links) und Dr. Stephan Linck (rechts) vor dem "Lokalen Fenster" über Hans Treplin.
  • Hans Treplin war bis ins hohe Alter publizistisch aktiv. Die Zeitschrift "Glaube und Heimat" gab er zusammen mit Pastorenkollegen in der Region heraus.
  • Pastor Holtmann begrüßt die Gemeinde zur Ausstellungseröffnung nach dem Gottesdienst.
  • Dr. Linck bot den Gästen der Vernissage die Möglichkeit, von ihm durch die Ausstellung geführt zu werden. Seine Studien sind die Grundlage der Ausstellung gewesen.

„Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Reicht sieben mal?“ Diese Frage, welche Petrus einst stellte, stellte nun Pastor Stefan Holtmann im Eröffnungsgottesdienst der Wanderausstellung der Nordkirche „Neue Anfänge nach 1945? Wie die Landeskirchen Nordelbiens mit ihrer NS-Vergangenheit umgingen“. Die Frage stellten Pastor Holtmann und Pastor Lars Klehn Auszügen aus Briefen entgegen, welche an Robert H. Jackson geschrieben wurden. Jackson war Chefankläger in den Nürnberger Prozessen. Die Texte seien ein kleiner Ausschnitt aus dem gesellschaftlichen Klima, das die frühe Nachkriegszeit prägte, so Holtmann in seiner Predigt.Unter den verlesenen Texten war auch ein Ausschnitt aus der Stuttgarter Schulderklärung zu hören – jene Veröffentlichung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, die so umstritten war. Ihr ist ein Teil der Ausstellung gewidmet. 

Die Frage nach Schuld und Vergebung stand denn auch für Pastor Holtmann im Vordergrund. Das Evangelium beinhalte die uneingeschränkte Verpflichtung zur Vergebung, einer Vergebung, die den Kreislauf von Schuld und vergeltender Erwiderung außer Kraft setze, so Holtmann. Aber: „Gerade angesichts der Schuld, die im zwanzigsten Jahrhundert unsere Geschichte als Deutsche geprägt hat, mag einem dieses Evangelium im Halse stecken bleiben“. Vergebung sei nicht von Aufarbeitung der Geschichte trennbar, sie vertrage sich nicht mit dem Vergessen, so Holtmann weiter. Die Opfer hätten ein Recht auf Erinnerung: „Weil bei Gott kein Mensch vergessen ist, werden wir unsere Erinnerung wach halten, insbesondere an jene, von deren Leben kein Grab zeugt“.

Holtmann rief in seiner Predigt dazu auf, sich mit der Ausstellung der jüngeren Geschichte dieser Kirche zu stellen: „Wie stehen wir zu dieser Kirche, der das Evangelium anvertraut und zur Weitergabe aufgegeben ist, und die sich in ihrer Geschichte weithin doch so unvollkommen und fehlerhaft darstellt?“. In der Ausstellung, die vom 22. Oktober bis zum 2. November in der Rendsburger Christkirche zu sehen ist, setzt sich die Nordkirche selbstkritisch mit ihrer Vergangenheit in den heutigen Sprengeln Schleswig und Holstein sowie Hamburg und Lübeck auseinander. Sie wandert seit Anfang des Jahres durch die Kirchengemeinden der Nordkirche. 

Für den Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde ist die Christkirche als Ausstellungsort gewählt worden: „Unsere Kirche hat eine lange Geschichte als Garnisonskirche, wir bewegen uns also häufig im Spannungsfeld zwischen Kirchen und Themen rund um Krieg. Wir freuen uns also darüber, die Ausstellung hier zeigen zu dürfen“, erklärte Pastor Holtmann vor der Eröffnung. Man müsse auch in der heutigen Zeit Verantwortung wahrnehmen und nach außen deutlich für eine tolerante Gesellschaft einstehen, so Holtmann weiter: „Aus der NS-Zeit kann man lernen, dass man sich rechtzeitig gegen rechte Strömungen wenden muss“.

An jedem Ausstellungsort gibt es ein sogenanntes „lokales Fenster“. In Rendsburg liegt der Schwerpunkt der lokalen Betrachtung der Nachkriegsgeschichte auf der Person und dem Wirken von Propst Hans Treplin. Treplin war zunächst Pastor in Hademarschen, ab 1947 Rendsburger Propst. War er dem Nationalsozialismus Anfang der 1930er Jahre noch durchaus zugewandt, erkannte er aber bald die Gefahren dieser Bewegung. Er bekämpfte die nationalsozialistische Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ vor allem mit zahlreichen Schriften. Nicht zuletzt deswegen wurde er von der Gestapo überwacht. Fokus im lokalen Fenster in der Ausstellung ist allerdings die Zeit nach 1945. Pastor Lars Klehn, der die Inhalte für das lokale Fenster zusammen getragen hat, konnte auch einige Erinnerungsstücke aus dem Archiv auftreiben: So finden sich in zwei Vitrinen publizistische Schriften, Bilder und eine Zigarrenkiste.

Im Rahmen der Ausstellung finden in der Christkirche mehrere Vorträge statt (u.a. zum Flensburger Denkmalstreit) sowie eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Und was werden unsere Enkel über uns sagen? Zur politischen Verantwortung der Kirche heute“. Die Kirche ist geöffnet Montags bis Samstags von 10 bis 15 Uhr sowie im Rahmen des Begleitprogramms. Das Historische Museum bietet ergänzend zwei Führungen mit dem Titel "Rendsburg unterm Hakenkreuz" an (Mittwoch, 26.10., 15 Uhr mit Lars Mischak, Mittwoch, 02.11., 15 Uhr mit Dr. Martin Westphal). Treffpunkt ist das Museumscafé der Museen im Kulturzentrum, Arsenalstr. 2-10, die Führungen dauern ca. 45 Minuten und der Eintritt ist frei. 

Hintergrund: Die Wanderausstellung „Neue Anfänge nach '45?“ gibt anhand von sechs Themenfeldern Einblicke in die Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts: Heimatvertriebene, Flüchtlinge und „Displaced Persons“, Antisemitismus und neue Begegnungen, NS-Täter und Kriegsverbrecher im Schutz der Kirche, Streit um Schuld und Mitverantwortung, Haltung zu Krieg und Wiederaufrüstung, Antikommunismus und Diffamierungen. Grundlage für die Arbeit ist ein Forschungsprojekt des Historikers Dr. Stephan Linck, der 2008 beauftragt wurde, den Spuren kirchlicher NS-Vergangenheit bis ins Jahr 1985 zu folgen.  

Infos zum Rahmenprogramm unter https://www.christkirche-rendsburg.de/veranstaltungen.html Öffnungszeiten der Ausstellung: Mo bis Sa 10–15 Uhr, im Rahmen des Beiprogramms und nach Absprache.

Kirche im Norden