Abhängigkeit von Alkohol, Tabletten und Tabak – davon betroffen sind vor allem Menschen jüngeren oder mittleren Alters, so die weitläufige Meinung. Doch steigende Suchtzahlen älterer Menschen werden zunehmend zum Problem. Nicht weil sie in der Gesellschaft negativ auffallen, sondern weil die Sucht häufig ignoriert oder nivelliert wird und Betroffene unter körperlichen und seelischen Folgen leiden. Die Kirchengemeinde St. Marien und Pflege LebensNah wollen das Thema stärker in die Öffentlichkeit rücken und laden am 29. Oktober zu einem Themenabend ein.
Rund 1,5 Mio. ältere Menschen sind abhängig von Medikamenten mit Suchtpotenzial. Mehr als 15 Prozent der über 60-Jährigen weisen einen problematischen Alkoholkonsum auf. Diese Zahlen erschrecken, doch obwohl sie in Fachkreisen bekannt sind, wird das Thema „Sucht im Alter“ gesellschaftlich ignoriert. Die Folgen einer Abhängigkeit sind gravierend: nachlassende Gedächtnisleistung, motorische Störungen und Stürze, Stimmungsschwankungen, Depression oder Kreislaufversagen sind nur einige.
Norbert Schmelter, Geschäftsführer von Pflege LebensNah, weiß, warum die Zahl der suchtkranken Senioren immer weiter ansteigt: „Es sind ganz einfach gesellschaftliche Strukturen, die Alkohol und Tabletten für viele alte Menschen zur Option machen“, so Schmelter. „Viele Senioren vereinsamen zunehmend, die Einbindung in das nachbarschaftliche oder familiäre Umfeld fehlt, sie haben keine Aufgabe mehr. Hinzu kommt, dass die Beschaffung von Medikamenten und Alkohol leicht gemacht wird: Sie sind frei verkäuflich.“ Eine gesellschaftliche Aufgabe sei aber vor allem ein veränderter Umgang mit suchtkranken Menschen. „Das Hauptproblem ist die Scheu der Angehörigen und auch der Pflegekräfte vor diesem Thema. Sie wissen nicht, wie sie Symptome richtig deuten oder wie sie helfen können. Das Denken ‚Er hat ja sonst nichts mehr, da wollen wir ihm wenigstens seinen Schnaps lassen‘ ist weit verbreitet.“
Nicht nur in Anbetracht des demografischen Wandels sollte das Thema Sucht im Alter mehr Aufmerksamkeit erfahren. Denn die Chancen auf Heilung sind bei Menschen höheren Alters deutlich besser als bei jungen Menschen. Durch eine Entwöhnung können die Lebensqualität nachhaltig verbessert und verlorene Fähigkeiten zurückgewonnen werden.
Mit der Veranstaltung „Sucht im Alter – (K)ein Thema?“ möchte die Kirchengemeinde St. Marien gemeinsam mit Pflege LebensNah Interessierte und Betroffene zu einem Informations- und Gesprächsabend am 29. Oktober einladen. Norbert Schmelter wird dabei zunächst Erfahrungen und Eindrücke aus der Fachwelt liefern, im Anschluss soll der Austausch unter allen Anwesenden im Mittelpunkt stehen.
Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr in der Prinzenstraße 8 und ist kostenlos. Eine Anmeldung ist nicht nötig.