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Premiere: Wackener Kirche öffnet sich für Metal-Fans

  • Martin Dreyer spricht in der Heiligen-Geist-Kirche.
  • Die Band Faun tritt im Anschluss auf.

Pastorin Petra Schneider hat sich passend gekleidet. Im schwarzen T-Shirt mit W:O:A-Aufdruck steht sie in der Heiligen-Geist-Kirche und begrüßt Gäste ihrer Gemeinde. „Schön, dass ihr da seid“, sagt sie zu zwei Frauen, die ebenfalls ein W:O:A-Shirt tragen. Andere kommen in normaler Kleidung. Die Neugier hat die meisten von ihnen heute in die Wackener Kirche gelockt. Denn zum ersten Mal findet während des Wacken Open Air (W:O:A), dem größten Heavy-Metal-Festival der Welt, ein Konzert in der Kirche statt. Und nicht nur das: Vorher wird Jesus-Freaks-Begründer Martin Dreyer predigen.

Da kann die Nervosität schon mal steigen. „Wir machen das ja zum ersten Mal“, sagt Schneider. Sie hoffe, dass alles gut gehe. 400 Leute bekommen Zugang zu der 150 Jahre alten Kirche. Mehr lässt das Sicherheitspersonal der W:O:A-Veranstalter nicht rein. Schon eine Stunde vor Konzertbeginn füllen sich die Kirchbänke. Festivalbesucher sitzen neben Mitgliedern der Kirchengemeinde Wacken, Jung und Alt ist das Publikum. Erste schüchterne Gespräche beginnen zwischen den Gruppen. Die Stimmung ist friedlich und ruhig.

Weil in diesem Jahr die Wackener Kirche Jubiläum feiert, haben die W:O:A-Veranstalter Holger Hübner und Thomas Jensen der Kirchengemeinde das Konzert geschenkt. Jensen ist in Wacken groß geworden, Hübner lebte in der Nachbargemeinde Besdorf. Beide unterstützen gerne und häufig die sozialen Einrichtungen des Dorfes, somit auch die Kirchengemeinde. „Darüber freuen wir uns sehr“, sagt Petra Schneider. Und auch über das besondere Geschenk zum Kirchjubiläum ist die Gemeinde froh. „Wir haben im Kirchengemeinderat durchaus kontrovers darüber gesprochen. Nicht alle Menschen sind dafür, dass wir in diesem Jahr zum ersten Mal die Kirche während des W:O:A öffnen“, meint die Pastorin. Aber die Mehrheit unterstütze die Öffnung. „Seit Jahren findet das Festival hier statt“, so Schneider. „Deshalb haben wir uns gefragt: Wie können Kirche und W:O:A sich begegnen?“ Petra Schneider, selbst kein Fan von Heavy-Metal-Musik, wünscht sich Offenheit und auch ein klein bisschen Mut zum Risiko. Man müsse das halt mal ausprobieren. Aber die Begegnung dürfe natürlich auch nicht komisch für beide Gruppen werden.

Mittlerweile stimmt ruhige Musik vom Band die Gäste ein. Alle wartet auf Martin Dreyer. Der beginnt mit seiner Predigt, ohne dass die Besucher ihn sehen. Plötzlich springt er hinter dem Altar hervor, um seine Hände eine Kette gelegt. Er trägt Baseballmütze und ein beschmiertes T-Shirt. „2000 Dämonen, Jesus und der Heilige Geist“ lautet der Titel seiner Inszenierung. Dreyer spricht laut, wirkt schrill und scheint seine Predigt förmlich zu leben. Er nutzt Jugendsprache, benutzt Worte wie cool oder fett. Er erzählt von den Dämonen der Welt wie Geld, Sex, Sucht und Lüge. „Jesus ist stärker als der Suchtdämon“, ruft er der Gemeinde zu. Jesus sei in der Lage, Menschen frei zu machen. Er selbst habe es erlebt. Vor vielen Jahren habe er sich Heroin gespritzt und sei fast daran verstorben. Zum Abschluss betet er gemeinsam mit den Besuchern. Einige stehen auf für das Vaterunser. Dann ist Martin Dreyer fertig. Die Band Faun tritt auf. Faun ist eine deutsche Pagan-Folk-Gruppe aus Gräfelfing bei München. Ihre Lieder tragen Titel wie „Tanz mit mir“, „Die kalte Nacht“ oder „Von den Elben“. In ihren historisch anmutenden Kleidern, die ans Mittelalter erinnern, fallen sie sofort auf. Mit ihren Instrumenten wie Flöte, Maultrommel, Schlagzeug, E-Gitarre oder Drehleier bringen sie den Kirchraum zum Klingen. Sanfte Töne finden Sie, mal fröhlich, mal melancholisch, immer  melodisch. Ihre Musik klingt nach einer märchenhaften Welt voller Feen und anderen Fabelwesen. Sie haben für das Konzert in der Kirche extra ruhige Stücke aus ihrem Repertoire ausgewählt. Nach dem Konzert verlassen alle gesittet wieder den Kirchraum, die Dorfbewohner und die W:O:A-Besucher. Und Pastorin Schneider ist glücklich und zufrieden. „Die Premiere hat funktioniert.“ Beendet ist das W:O:A damit für sie nicht. Die nächsten Tage wird sie auf dem Festivalgelände verbringen. Gemeinsam mit anderen Seelsorgern gehört sie zum Festivalseelsorgeteam des Jugendpfarramtes. Diese Arbeit macht sie gerne, denn hier kann sie den Menschen helfen. „Schließlich haben die Festivalbesucher die gleichen Sorgen und Nöte wie alle anderen auch.“

Kirche im Norden