Was steckt hinter dem Begriff Kindeswohlgefährdung? Welche Arten von Misshandlung, Missbrauch und Vernachlässigung gibt es? Welche Folgen ergeben sich dadurch? Und was können kirchliche Mitarbeitende tun, wenn sie bei einem Kind oder einem Jugendlichen Symptome erkennen? Um diese Fragen ging es beim Navigationstag zum Thema Kindeswohl des Zentrums für Kirchliche Dienste des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde. Rund 140 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende aus der Kinder- und Jugendarbeit des Kirchenkreises kamen am vergangenen Sonnabend in das Rendsburger Christophorushaus, um Orientierung zu finden für ihre Arbeit.
Ziel der Veranstaltung war es, zum Thema Kindeswohlgefährdung zu informieren, die Relevanz der Problematik deutlich zu machen und Verhaltenssicherheit zu ermöglichen. Außerdem wurde das standardisierte Verfahren des Kirchenkreises zum Umgang mit dem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vorgestellt. Dieses Verfahren wurde mit Unterstützung des Jugendamtes des Kreises Rendsburg-Eckernförde entwickelt. Es ermöglicht schnell und sicher auf eine vermutete oder offensichtliche Kindeswohlgefährdung reagieren zu können. „Mit dem Verfahren wollen wir Eltern unterstützen, nicht kontrollieren oder korrigieren“, sagte Kirchenkreisjugendmitarbeiter Klaus Deuber, der den Navigationstag organisierte. „Wenn es nötig ist, wollen wir Eltern ermutigen, sich Unterstützung und Hilfe zu holen. Unser Selbstverständnis ist: Wir stehen immer auf der Seite der Kinder, aber auch an der Seite der Eltern.“ Propst Sönke Funck unterstützte diese Haltung. „Diese Veranstaltung ist von unschätzbarem Wert“, sagte er und freute sich über die Hohe Anzahl der Teilnehmenden.
Wie Vernachlässigung und Misshandlung im Kindesalter aussieht, erklärte Referentin Dr. Ariane Schorn, Professorin im Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Fachhochschule Kiel. Sie berichtete in ihrem Impulsreferat über Hintergründe, Erscheinungsformen und Folgen von Missbrauch. Dabei informierte sie die Teilnehmenden über körperliche und seelische Misshandlungen. Gerade letztere seien oft schwierig festzustellen. Doch die Folgen dieser Art der Misshandlung seien für die Betroffenen gravierend. Als Beispiele nannte sie Fälle, in denen das Kind ausgenutzt werde, mit dem Kind tagelang nicht gesprochen werde und es somit keine Antwort auf seine Gefühle und Fragen bekomme. Aber auch ein Kind, das von den Eltern erdrückt werde, könne sich nicht richtig entfalten. Es gebe ein weites Spektrum und verschiedene Intensitäten bei seelischer Misshandlung. Weitere Kindeswohlgefährdungen sind sexueller Missbrauch und Vernachlässigung. „Je früher, je schwerer und je länger ein Kind missbraucht wird, umso schlimmer sind die Folgen“, erklärte sie. Psychosomatische Beschwerden wie chronische Bauchschmerzen, Essstörungen und Einnässen könnten Anzeichen für einen Missbrauch sein. Aber auch Schulprobleme, fehlendes Sprachvermögen und eine beeinträchtigte emotionale Entwicklung könnten die Folge von Misshandlung sein.
Im Anschluss an das Impulsreferat konnten die Teilnehmenden verschiedene Arbeitsgruppen besuchen. In der Gruppe von Michael Wolf, Leiter des Fachdienstes Jugend- und Sozialdienst vom Kreis Rendsburg-Eckernförde, ging es um das Thema, wie Vernachlässigung erkannt werden kann. Gewalt und Misshandlung in der Familie war das Thema der Gruppe um Oda Wolff, Teamleiterin aufsuchende Familienhilfe, Diakonisches Werk des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde. Um sexualisierte Gewalt im Jugendalter zwischen Grenzerprobung und Grenzüberschreitung ging es in der Arbeitsgruppe von Maike Kock, GHS Lehrerin, Fortbildungs-Referentin der PETZE aus Kiel. Von der Bedeutung der Mitarbeitenden für die präventive Arbeit zu sexueller Gewalt berichtete Lars Wulff, Erzieher und Diakon im Kinderschutz-Zentrum Westküste, Diakonisches Werk Husum. Wie Kinder stark gemacht werden können, zeigte Rachel Matthern, Fortbildungsreferentin der PETZE. Um Mobbing ging es in der Gruppe von Nadine Wiese, Bildungsreferentin des Instituts für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation Hamburg. Über den Umgang mit Gewaltopfern in den gemeindlichen Kinder- und Jugendgruppen berichtete Susanne Jensen, Missbrauchsüberlebende und Pastorin im Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde. Über Schulungen von Mitarbeitenden zum Thema Kindeswohl informierte Klaus Deuber. Was eine Gemeinde tun kann, um Sicherheit vor Grenzverletzungen zu ermöglichen, damit beschäftigte sich die Gruppe um Lars Klehn, Personal- und Gemeindeentwicklung des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde. „Das Thema Kindeswohl haben wir so aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und umfangreich darstellen können“, so Klaus Deuber. Auf Fragen der Teilnehmenden konnte so gut eingegangen werden, um sie gut vorzubereiten für ihre Arbeit in den Kirchengemeinden und Einrichtungen des Kirchenkreises.