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Metalheads und Christen haben Nächstenliebe gemeinsam

  • Pastorin Alisa Mühlfried in der Heiligen-Geist-Kirche in Wacken.

Wacken (epd). Wacken in Schleswig-Holstein ist ein Dorf mit gut 1.800 Einwohnern. Die Heiligen-Geist-Kirche gehört zum Kirchspiel Wacken und Alisa Mühlfried (31) ist seit November 2022 dort Pastorin. „Es ist eine schöne, ruhige Landkirchengemeinde, ein nettes Dorf und die meiste Zeit im Jahr ist hier alles ganz normal, mit Taufen, Trauungen und Bestattungen“, sagt die junge Pastorin. Nur für ein Wochenende im August wird alles anders, dann ist „Wacken Open Air“, das bekannteste Metal-Festival der Welt. „Dann wird geschmückt, es werden Kaffee- oder Limowagen rausgestellt und die Menschen sind total offen und freuen sich auch schon“, sagt Mühlfried. Das „Wacken Open Air“ mit bis zu 75.000 Metal-Fans sei dann nicht nur auf dem Festivalgelände präsent, sondern im ganzen Ort.

Bisher beteiligte sich die Kirchengemeinde mit einem Gottesdienst am Mittwochabend. Dieses Angebot möchte die junge Pastorin ausweiten. „Ich habe ein Team aus Kolleginnen und Kollegen, aus Diakonen und Menschen, die sich mit Seelsorge auskennen, zusammengestellt. Gemeinsam möchten wir die Kirche dann am Mittwoch und Donnerstag jeweils für ein paar Stunden öffnen“, sagt Mühlfried. Denn in den vergangenen Jahren habe es immer wieder Situationen gegeben, in denen Menschen die Kirche besuchen wollten, doch sie war geschlossen.

Einen Arbeitstitel für das neue Angebot gebe es schon: „room of silence“, sagt die Pastorin. „Ein Raum der Stille, ohne dass das jetzt groß spirituell aufgeladen ist.“ Sie möchte einen Rückzugsort bieten, an dem die Metal-Fans im Festivaltrubel einmal zur Ruhe kommen können, „denn es ist schon sehr laut und es sind viele Menschen, das kann auch mal überfordernd sein“, glaubt Mühlfried. In der Heiligen-Geist-Kirche können die Ruhesuchenden dann eine Kerze anzünden, in den Bänken sitzen oder „einfach mal mit jemandem quatschen“.

Neue Pastorin, neue Ideen, aber auch alte Bedenken. Ginge es nach der Gemeinde, gebe es keine Beteiligung rund um das „Wacken Open Air“, sagt Mühlfried. Einerseits, weil viele Gemeindemitglieder in der Festivalzeit selbst viel zu tun und kaum Zeit hätten, andererseits gebe es auch „diese Angst, dass was passieren könnte, dass randaliert wird in der Kirche oder auf dem Friedhof“, erklärt die Pastorin. „Das wollen wir natürlich auf keinen Fall.“

Doch große Metal-Gottesdienste in Schweden oder Finnland würden zeigen, dass Christsein und Metalhören gut zusammen gehe, sagt die Pastorin. Erst kürzlich habe sie mit einem Kollegen gesprochen, der diese Form von Gottesdienst anbiete, „und der sagt mir ganz klar: Das sind normale Gottesdienste, nur die Musik ist anders“, berichtet Mühlfried. Zudem höre sie privat auch Metal, sodass es für sie keine ungewöhnliche Kombination sei.

Sicher sei Metal eine Musikrichtung, die sich abgrenzen möchte, doch das sei auch bei Hip-Hop oder anderen Genres der Fall. „Jedes Genre hat so seinen Spirit und seine Ideen und Gedanken“, sagt die Pastorin. So dürfe auch Metal nicht nur als Angriff wahrgenommen werden. Und geht es nach Mühlfried, sind Metalheads „die liebsten Menschen, die ich kenne“. Mit der Nächstenliebe klappe es bei den Metallern „nämlich super“, sagt sie, „und wir haben da doch bei Kirche auch so ein Ding mit Nächstenliebe - das passt doch wunderbar zusammen.“

In diesem Jahr öffnet sich die Kirchengemeinde also schon ein bisschen Richtung Festival, und wenn es nach Alisa Mühlfried geht, dann darf sich gern mehr entwickeln: „Mein Wunschtraum wäre, auf dem Gelände präsent zu sein, als Kirche zu sagen, wir sind hier und bieten sogar Trauungen auf dem Gelände an und sind wirklich ansprechbar.“ Vielleicht sei auch ein Getränkestand auf dem Kirchplatz eine Idee, „damit die Menschen zu uns kommen“, sinniert die Pastorin. „Ich bin total offen für ganz viele Dinge und gleichzeitig weiß ich, das muss Schritt für Schritt gehen.“

Kirche im Norden