Rendsburg – Neulich, beim Richtfest eines Kollegen nahe des Fähranlegers Missunde, stieg Henning Halver aus einer Öffnung des Rohbaus wieder heraus auf den glattgezogenen Erdhaufen, der einmal eine Terrasse werden soll, und sagte leise: „Um den Garten kann ich mich dann auch mehr kümmern.“ Ein Satz, gesprochen eher in den würdigen grauen Vollbart als zu seiner Frau. Als wüsste Henning Halver noch gar nicht, was er davon halten soll: Garten statt Ökumene. Ende August geht Halver in den Ruhestand.
Am kommenden Donnerstag, 27. Juni um 18 Uhr verabschiedet ihn der Evangelisch-Lutherische Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde mit einem Gottesdienst – für einen Ökumene-Pastor recht angemessen in der katholischen Kirche St. Michael (Am Margarethenhof 39). Halver hat 13 Jahre lang Kontakt gehalten zu christlichen Gemeinden urbi et orbi, also in der Stadt und dem Erdkreis: mit den Baptisten in Rendsburg, aber auch zu den Partnerprojekten in Südafrika, Estland und Israel. „Die Begegnungen in Estland und der Blick nach Osten waren für mich eine wirkliche Horizonterweiterung“, sagt der fast 65-Jährige, „auch und gerade mit den Implikationen aus der deutschen Geschichte.“ Aus Israel hat Halver noch vergangenes Jahr täglich für den Kirchenkreis gebloggt.
Jesus mit dunkler Haut
Unsere Kirche ist ökumenisch“, sagt Halver. „Wir als evangelisch-lutherische Kirche hier im Norden sind eine Stimme innerhalb der Weltkirche – und es gibt andere Stimmen, mit denen wir zusammen die Botschaft von Jesus Christus in Wort und Tat bezeugen. Diese Stimmen sollten wir ebenso anhören und ihre Bilder ebenso betrachten, denn natürlich wird Christus überall auf dem Globus anders dargestellt: in Asien mit schmalen Augen, in Afrika mit dunkler Haut. Wir sollten uns neugierig sein darauf, wie der Andere Gott begreift.“ Dann könne Ökumene ein großes Geschenk sein.
Der Gedanke, dass „wir als Christen nicht einzig und allein dastehen, sondern weltweit Geschwister, Verwandte und Bekannte haben“, wird Henning Halver quasi in die Wiege gelegt. Aufgewachsen ist er in Breklum, jener nordfriesischen Landgemeinde, in der 1876 die Missionsgesellschaft für Schleswig-Holstein entstand, das heutige „Zentrum für Mission und Ökumene“ der Nordkirche. Auch Hennings Vater Arndt soll von dort aus auf Mission gehen, stirbt aber 1961 vor Antritt der Reise. Da ist Henning Halver sieben Jahre alt. Seine Mutter Trudel baut für sich und die vier Kinder in Breklum ein Zuhause.
Breklum, Mission und Ökumene
Elternhaus und Umfeld in Breklum lassen in Henning Halver bereits früh den Willen reifen, „mehr wissen zu wollen, wer dieser Jesus ist“. Im Theologiestudium sind ihm die Missionswissenschaften in Neuendettelsau besonders wichtig, später in Göttingen und Heidelberg dann die ökumenischen Wissenschaften. Doch als ihm eine Stelle im Missionswerk angeboten wird, lehnt er ab. „Es stimmt ja, was bei Markus steht: ‚Geht hin in alle Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung‘ – hinzufügen könnte man aber: Fangt zuhause an. Und das wollte ich.“
Nach seinem Vikariat in Kiel-Hassee beginnt Halver 1981 als Pastor in Wacken. Dort teilt er sich die Pfarrstelle mit seiner Frau Astrid – und mit dem Abendbrot wird gerne noch das eine oder andere Thema aus der Gemeinde durchgekaut. „Da fiel die Abgrenzung schon öfter mal schwer“, sagt Halver und schmunzelt. Fast 25 Jahre bleiben sie dennoch in Wacken, bekommen zwei Söhne und eine Tochter und erleben auch Beginn und Wachstum des W.O.A. mit, der jährlichen Heavy-Metal-Festivalgemeinde.
Die Schöpfung bewahren
Als 2006 die Ökumenische Arbeitsstelle im Kirchenkreis eingerichtet wird, wechseln die Halvers mit Anfang 50 nochmal. Astrid wird Pastorin in Osterrönfeld, Henning bezieht sein Büro im Zentrum für Kirchliche Dienste. „Wenn man so will, hat sich da der Kreis zu Breklum und meinem Studium geschlossen“, sagt Halver heute. Und weil er den gesamten Erdkreis („Ökumene“) im Blick behält, wird ihm auch die Bewahrung der Schöpfung zunehmend wichtig. Der Klimawandel trifft uns – die armen Länder des Südens trifft er aber viel härter. „Umweltschutz sollte ja ein Uranliegen der Christenheit sein. Aber davon zu reden reicht nicht. Ich kann nicht sonntags Umwelt predigen und montags bis freitags frei heraus konsumieren und wirtschaften.“
Also arbeitet er der Julia Herrmann zu, der Umweltbeauftragten des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde. Gemeinsam wollen sie den „Grünen Hahn“ für Nachhaltigkeit erlangen, ein strenges Zertifikat für kirchliches Umweltmanagement. Es geht um Fünfjahrespläne bis zur Klimaneutralität 2050, um das bewusste Senken des Wärmeenergie-, Strom-, Trinkwasser- und Papierkonsums, um weniger Müll, möglichst umweltfreundliches Pendeln und fachgerecht angelegte Wildblumenwiesen auf Friedhöfen für die Insekten. „Wenn ich glaube, dass Christus von Gott geschickt wurde“, sagt Halver, „dann hat Gott seinen Fußabdruck in unseren Staub gesetzt. Und dann ist Kirche auch in der Pflicht, in die Gesellschaft hineinzuwirken und sich nicht herauszuhalten.“
Es ist ein langer Weg. Doch das grüne Zertifikat kam just diese Woche.
Man sieht Henning Halver viel mit dem Rad unterwegs: an der Eider entlang, via Fußgängertunnel unterm Kanal hindurch und dann an ihm entlang nach Westerrönfeld, wo er mit seiner Frau wohnt, mittlerweile Pastorin i.R. Und ihr Garten dort, für den er nun Zeit haben wird? Nach fast 38 Jahren als Pastor noch eine ungewohnte Perspektive. „Die Flurgespräche, die gemeinsamen Aktionen und Projekt-Ideen – das kann ich ja nicht mitnehmen, das wird mir erstmal fehlen.“ Eines aber weiß Henning Halver: Er, der stets den Dialog mit seiner Umwelt sucht, wird genau das weiter tun. Vielleicht ein Gesprächskreis. Sich der Frage nähern, wer denn dieser Christus war und für uns heute ist. Oder wie man mit Sprache achtsam umgeht, statt den Diskurs immer geräuschvoller nach rechts zu verschieben. Und sicher auch wieder Gottesdienste, später. „Aber der Talar kommt erstmal ein Jahr in den Schrank.“