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Im Erzählcafé werden (nostalgische) Erinnerungen wach

  • Im Erzählcafé werden Erinnerungen wach. Frau Elsa Vehrs hält ihre Zwillingsurenkel auf dem Arm. Daneben links sitzt Rose Baltes, die 1968 entbunden hat.

Rendsburg „Erzählen Sie doch mal, wie es war als Sie in den 50er Jahren entbunden haben fragt Hebamme Synje Frenzel-Rathje die 92-jährige Elsa Vehrs. Frau Vehrs sitzt in einem Raum der Ev. Familienbildungsstätte, der mit nostalgischen Relikten aus den verschiedenen Jahrzenten des letzten Jahrhunderts geschmückt ist. Dazu gehören neben einer Wäscheleine mit verschiedenen Babykleidern, die über der Spieleckecke hängen, Fotos von Müttern und Kindern in Bilderrahmen und nicht zuletzt ein Schmuckstück aus den 50er Jahren, ein alter Kinderwagen sowie Utensilien einer Hebamme aus vergangen Zeiten wie der bekannte Hebammenkoffer und das Hörrohr zur Untersuchung der Herztöne. Frau Fehrs erzählt von ihren beiden Kindern, die heute 63 und  60 Jahre alt sind. Sie musste sich in der ersten Schwangerschaft ein Vierteljahr übergeben und habe nie einen Arzt gesehen. Die Hebamme kam vorbei und hörte mit einem Hörrohr die Herztöne des Kindes ab. „Sie war ganz fortschrittlich“, meinte sie zu diesem Vorgang. Else Vehrs hatte damals keine Angst vor der Geburt, es war das natürlichste von der Welt. Ihr Mann hatte damals beim ersten Kind die Hebamme geholt und dann ging alles ganz schnell, sagt sie. Gestillt habe sie damals nicht, aber das Kind bekam Buttermilch, worunter später Haferflocken gemischt wurden und der Brei anschließend mit der Flasche verabreicht wurde.

An diesem Donnerstagnachmittag, den 8. Oktober trafen Frauen, die in den verschiedenen Jahrzehnten ihre Kinder zur Welt gebracht haben auf Hebammen und andere Interessierte und berichteten im Erzählcafé aus ihren Erfahrungen rund um das Thema Geburt. Moderiert wurde die einzige Veranstaltung dieser Art in Schleswig-Holstein von Kinderkrankenschwester und DELFI®-Kursleiterin, Angelika Wichert, und verantwortet von der Leiterin der Ev. Familienbildungsstätte Frauke Kondritz. Ziel dieser bundesweiten Veranstaltung war es dabei zu helfen, die Tradition des Erzählens und die Wissensweitergabe wieder zu beleben und die Wichtigkeit des Berufs der Hebamme in Erinnerung zu rufen.

Frau Rose Baltes erzählt von ihrer Geburt aus den 60er Jahren. 1968 kam ihr Sohn per Kaiserschnitt zur Welt. Obwohl sie drei Monate ständig einen Eimer bei sich tragen musste, habe sie sich sehr auf das Kind gefreut. Aus Angst vor einem Contergankind habe sie die Medikamente gegen Übelkeit, die ihr ihr Arzt verschrieben habe, nicht eingenommen. Auch sie wurde noch mit dem Hörrohr abgehört, denn Ultraschall gab es damals noch nicht. „Der Arzt vermutete bei mir Zwillinge, weil der so viele Herztöne hörte, nachher stellte sich heraus, dass das Baby nur sehr lebhaft sich im Bauch bewegt habe“, erzählt sie. Der Sohn von Christel Verspohl kam 1972 auf die Welt. Es war eine fortschrittlichere Geburt als ihre erste Geburt in den 60er Jahren. Es gab inzwischen Ultraschall und ärztliche Untersuchungen. Bei der ersten Geburt 1969 lagen noch acht Frauen in einem Kreissaal, nur durch eine spanische Wand voneinander getrennt. „Es war alles sehr steril in dieser Zeit und nur die engsten Familienmitglieder durften als Besuch ins Krankenhaus kommen“, erzählt Christel Verspohl. In den 70er Jahren durfte der Ehemann mit ins Zimmer kommen und die Betreuung und Versorgung war liebevoller als noch in den 60ern. Beide Kinder hat sie länger gestillt, während sie in den 70ern abstillen durfte. Anschließend wurde sie in einer gynäkologischen Praxis abgebunden.

Frau Cornelia Brügemann hat in den 80er Jahren entbunden und beschreibt die Unterschiede zwischen einer Geburt mit einer freiberuflichen Hebamme und einer Beleghebamme im Krankenhaus. Sie hat bei ihren zwei Geburten beides erlebt und spricht von der wenigen Zuwendung, die man im Krankenhaus von der Hebamme bekommt, weil diese meistens mehrere Geburten gleichzeitig betreut.

Für Dagmar Häufle, die von 1983 bis 1985 selbst eine Hebammenausbildung in Tübingen gemacht hat, waren ihre beiden Geburten Fluch und Segen zugleich, weil sie gedanklich jeder Geburt einen Schritt voraus war.

Diese und weitere Geschichten wurden an diesem erfahrungsreichen Nachmittag zusammengetragen und weitergegeben. Dabei wurde immer wieder deutlich, wie wichtig der Beistand und das Berufsbild einer Hebamme für Frauen rund um die Geburt ist.

 

Kirche im Norden