Eckernförde – Das Thema Einsamkeit liegt ihr am Herzen. „Menschen sind nicht dazu gemacht, solitär zu sein. Gott hat uns als Gemeinschaft gewollt“, sagte Bischöfin Nora Steen zu Beginn ihres Festvortrags beim Jahresempfang des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde. Rund 160 Menschen aus Kirche, Politik und Wirtschaft waren gekommen. Begrüßt wurden sie von Präses Dr. Maike Tesch und Propst Matthias Krüger
Wir Menschen seien auf Gemeinschaft angelegt. Aber: Gemeinschaft gelinge nicht so einfach. „Viele fühlen sich nicht als Teil der Gesellschaft, sie fühlen sich nicht gesehen und nicht gehört.“ Das sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, formulierte die Bischöfin gleich zu Beginn ihres Vortrages: Die Kraft der Gemeinschaft: über unsere Möglichkeiten, der Einsamkeit zu begegnen.
Meist falle einem bei dem Thema Einsamkeit die Gruppe der alten Menschen ein, meinte die Bischöfin. „Es ist aber kein Thema, dass sich auf bestimmte Altersgruppen bezieht“, machte sie klar. Auch Jugendliche und junge Menschen seien von Einsamkeit betroffen. Durch Corona sei eine ganze Generation damit konfrontiert worden. Auch wenn die Jugendlichen und jungen Menschen jetzt wieder im Kontakt mit anderen sind, in Schule, Ausbildung und Beruf eingebunden sind: Bei manchen bleibe das subjektive Gefühl, einsam zu sein. Die Bischöfin nannte dazu Zahlen. In der Studie “Extrem Einsam?!”, die die Bundesregierung in Auftrag gegeben hatte, haben 55 Prozent der Jugendlichen angegeben, dass ihnen manchmal oder immer Gemeinschaft fehle. Die Studie stellt erstmals einen Zusammenhang der Einsamkeitserfahrungen von Jugendlichen und der Entwicklung antidemokratischer Haltungen her. „Einsamkeit hat damit negative Folgen für die Psyche und für unsere Demokratie“, sagte die Bischöfin. „Da müssen wir aufhorchen. Das sind viele, viele unserer jungen Menschen.“ Einsamkeit führe dazu, dass das Vertrauen der Jugendlichen in unsere Demokratie schwinde. Laut der Studie “Next Generation in Germany” der Bertelsmann Stiftung, würden 58 Prozent der Jugendlichen dem Parlament kein Vertrauen mehr schenken. Einsame Menschen seien anfälliger für Verschwörungstheorien und extreme Haltungen. „Wir müssen dringend handeln“, so Steen. „Wir müssen kreativ werden.“
Selbstbestimmung und Mitbestimmung für Jugendliche und junge Menschen seien wichtig. „Ich wünsche mir, dass die Stimmen der jungen Menschen ernst genommen werden, auch wenn es für uns Ältere vielleicht unbequem wird.“ In der Nordkirche gebe es dafür Strukturen. Junge Menschen gehören per Gesetz fest in kirchliche Gremien. Die Bischöfin wünscht sich außerdem, dass Räume für Begegnung geschaffen werden. Ein Gemeindehaus, in dem morgens die Krabbelgruppe, nachmittags die Seniorengruppe und abends der Chor und die Theatergruppe probten, sei so ein Ort. „Man sieht sich. Das ist eine Win-win-Situation für alle“, sagte Steen. Gemeinschaften wie Pfadfinder, Landjugend oder Freiwillige Feuerwehren seien Begegnungsorte. Hier könnten Jugendliche „stärkende Momente fürs Leben“ erfahren. In der Kirche gebe es „Orte, wo Menschen Stabilität und Halt finden“. „Wir schaffen Gemeinschaft“, sagte Steen. Menschen werde hier ein offenes Ohr geschenkt. Beim Besuchsdienst beispielsweise. „Olle Kamellen“ könnten da einige sagen. „Ja, aber das ist einer unserer Kernkompetenzen.“ Menschen sehen, ihre Geschichten hören, sie wahrnehmen, begleiten, das Mittragen von Lasten. „Wir halten aus als Seelsorgerinnen und Seelsorger.“ Ein unschätzbarerer Dienst, oft unsichtbar, sei das, für den die Bischöfin den vielen Haupt- und Ehrenamtlichen dankte.
Im Anschluss an den Impuls von Nora Steen begrüßte Propst Matthias Krüger die Gäste und gratulierte Kirchenkreismusikdirektorin Katja Kanowski zu ihrem 30-jährigen Dienstjubiläum. „Danke für deine Spontanität“, sagte er. „Fröhlich bist du und streitbar auch.“ Katja Kanowski sei eine versierte und innovative Kirchenmusikdirektorin, sagte er, die sich auch in der Synode und im Kirchenkreisrat engagiere. Auch das musikalische Programm beim Jahresempfang gestaltete sie - zusammen mit Gerold Jensen und dem Flensburger Kirchenmusikdirektor Michael Mages. Dieser spielte an der Orgel in St. Nicolai ein virtuoses Ständchen für Katja Kanowski zur Freude vieler Gäste. Bei Snacks und Getränken gab es dann im Anschluss Zeit, miteinander ins Gespräch zu kommen.